Km 20 590
Nach der schwülen Hitze an der Küste El Salvadors sind wir froh, in Guatemala wieder die Kühle der Berge zu spüren. Dafür müssen wir allerdings erst einmal bergauf fahren und unsere Oberschenkel und generell müden Körper danken es uns nicht. Um uns an die kühlen Abende anzupassen und uns für den langen Aufstieg zu belohnen, gönnen wir uns in einem Restaurant in Antigua Guatemala ein Käsefondue.
Diese kleine Pause tut uns gut, da wir am nächsten Tag bereits zu einem der Höhepunkte unserer Reise aufbrechen: der Besteigung des Vulkans Acatenango. Es ist nicht so sehr der Aufstieg, der uns interessiert, sondern die Nähe zum Vulkan Fuego, einem der aktivsten Vulkane der Welt. Er spuckt in regelmäßigen Abständen von etwa 20 Minuten Asche aus, die wir bereits von Antigua Guatemala aus sehen können, während wir auf der Terrasse frühstücken. Wir lassen unsere Gefährte bei einem anderen Radler, der uns auch Rucksäcke leiht, und fahren dann mit dem Bus zum Fuß des Acatenango. Wir beginnen den Aufstieg auf einem steilen Pfad zwischen Maisfelder. Nach 45 Minuten betreten wir den Dschungel, wo wir auch die Eintrittsgebühr für den Nationalpark entrichten müssen. Wir sind allein, die geführten Touren beginnen den Aufstieg viel früher und wir begegnen nur einigen Führern und Einheimischen, die wieder absteigen, da sie ihre Gruppen bereits zum Campingplatz gebracht haben. Kati entdeckt einen Kolibri in der Nähe eines blühenden Baumes, aber als Matthieu sich umdreht, ist er schon wieder verschwunden. Es ist beeindruckend, wie schnell er seine Flügel bewegt! Der Weg ist immer noch sehr steil, bis wir in einen Kiefernwald kommen. Wir spüren es auch an unserer Atmung, dass wir schon ziemlich weit nach oben gekommen sind. Es ist auch kälter geworden, aber die ersten Sonnenstrahlen kommen durch die Nebelschicht. Je weiter wir über den Nebel kommen, desto lichter wird auch der Wald um uns herum. Wir wandern an der Flanke des Vulkans Acatenango entlang und haben einen schönen Blick auf den Vulkan Agua auf der anderen Seite des Tals. Dann öffnet sich das Wolkenmeer neben uns und wir sehen Antigua Guatemala im Tal unter uns. Wir müssen noch einen letzten kleinen Bergrücken umrunden und auf einmal stehen wir vor dem Vulkan Fuego. Er spuckt gleich darauf Asche, sodass wir nicht einmal Zeit haben, den Fotoapparat zu zücken. Macht nichts, wir warten auf den nächsten Ausbruch. In der Zwischenzeit suchen wir uns einen Platz zum Zelten. An der gesamten Bergflanke gibt es mehrere kleine Campingplätze auf den Terrassen, die zu diesem Zweck angelegt wurden. Wir finden eine leere, etwas abseits gelegene Terrasse, von der aus wir einen freien Blick sowohl auf den Vulkan Fuego als auch auf den schönen symmetrischen Kegel des Vulkans Agua haben. Wir sind hin und weg, die Aussicht ist superschön und es ist wahrscheinlich einer der besten Campingspots der ganzen Reise. Dafür wird es schnell kalt, vor allem, da sich die Sonne wieder hinter den Wolken versteckt. Wir vermummen uns in unseren Schlafsäcken und lassen dabei aber die Zelttür offen, um nichts von dem Naturschauspiel zu verpassen. Die Wolken verderben die Party ein wenig und wir sehen keine Ausbrüche mehr, also schließen wir das Zelt und ruhen uns aus. Später, als wir einige „Ahs“ und „Ohs“ über uns hören, öffnen wir wieder und entdecken einen klaren Blick auf den Vulkan Fuego, beeindruckende Ausbrüche und flammend rote Lavaströme, die langsam die Bergflanke hinunterfließen. Der Blick ins Tal ist nicht weniger beeindruckend, mit Antigua Guatemala und den umliegenden Dörfern, die alle beleuchtet sind.
Aber das Abenteuer ist noch nicht zu Ende. Nach einer kühlen, aber erholsamen Nacht wacht Kati früh auf und genießt noch ein wenig das Schauspiel der beeindruckenden Eruptionen. Der Sonnenaufgang ist jedoch mindestens genauso schön. Man sieht, wie der Himmel von Dunkelblau zu Hellblau wechselt, um dann den warmen Farben Rosa und Orange Platz zu machen, als die Sonne über dem Vulkan Agua aufgeht. Die Lavaspritzer und -ströme sind immer weniger zu sehen, stattdessen sind die Aschesäulen am Himmel wieder zu erkennen. Wir frühstücken in der Sonne, um unsere Finger zu wärmen, die beim Fotografieren in der Kälte gelitten haben, und verstauen dann unsere Sachen in den Rucksäcken. Uns fehlen noch 400 Höhenmeter bis zum Gipfel des Acatenango, den wir auch noch erreichen wollen, da wir schon mal da sind. Während die geführten Gruppen denselben Weg zurück nach unten nehmen, machen wir uns auf den Weg nach oben zum Gipfel. Es ist extrem schwierig, denn es ist ein supersteiler Weg aus Vulkansand. Wir haben das Gefühl, mehr rückwärts zu kommen als vorwärts. Nach einer Stunde und einem letzten Anstieg sind wir endlich da. Und wir sind ganz allein! Wir nehmen uns die Zeit, die 360°-Aussicht zu genießen und umrunden den Krater, bevor wir uns an den Abstieg machen. Ein letztes Foto und ein letzter Ausbruch des Vulkans Fuego, dann geht es im Laufschritt nach unten. Es ist super steil und fordert ordentlich die Oberschenkel und die Knie heraus. Wir spüren schon den Muskelkater, der sich ankündigt. Auf dem Weg nach unten holen wir einige geführten Touren ein und als wir sehen, wie unsportliche Leute daran teilgenommen haben, sind wir froh über die Entscheidung, die Wanderung alleine und abseits der ausgetretenen Pfade organisiert zu haben. Einziger Wermutstropfen: Wir müssen auf den öffentlichen Bus zurück nach Antigua Guatemala warten, und nach zwei Stunden und drei Bussen in die entgegengesetzte Richtung gibt es immer noch keinen Bus in unsere Richtung. Wir nutzen die Wartezeit, um mit einem Ranger des Nationalparks zu sprechen und uns über das Leben in Guatemala und Europa, Sport, Vulkane, Tourismus usw. auszutauschen. Diese Momente des Austauschs sind sehr bereichernd! Schließlich hält er ein Auto für uns an und fragt, ob der Fahrer uns ins Tal hinunterfahren kann. Glücklicherweise stimmt der Fahrer zu und wir klettern auf die Ladefläche des Pickups. Wer weiß, wie lange wir noch hätten warten müssen! Den Rest des Nachmittags nutzen wir, um das koloniale Zentrum und die gepflasterten Straßen von Antigua Guatemala zu besichtigen, bevor wir unsere Fahrräder abholen und uns im Hotel ausruhen.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Fahrrad die gleiche Strecke, die wir am Vortag mit dem Bus zurückgelegt hatten. In Parramos essen wir zu Mittag, und anstatt zum Acatenango hinaufzufahren, nehmen wir am Nachmittag die Straße nach Chimaltenango. Wir fahren schnell durch diese große Stadt und weiter in Richtung Westen zum Atitlán-See. Wir kommen an einigen kleinen Dörfern und schönen Canyons mit schwindelerregenden Felswänden vorbei. In einem dieser Canyons schlafen wir inmitten eines Kiefernwaldes. Am nächsten Morgen müssen wir nur noch einen Fluss überqueren und aus dem Canyon herauskommen, dann haben wir den ersten Blick auf den Atitlán-See. Dieser See ist vulkanischen Ursprungs und liegt zwischen mehreren majestätischen Vulkanen. Wir fahren hinunter nach Panajachel am Ufer des Sees. Die Ufer sind sehr touristisch, aber man kann leicht nachvollziehen warum, denn die Aussicht ist grandios. Man spürt auch, dass man sich mitten im Land der Maya befindet. Überall in den Gassen sieht man Frauen in typischen, farbenfrohen Kleidern und auf dem Markt und in den Geschäften wird viel Kunsthandwerk verkauft. Wir bleiben nicht länger, sondern biegen nach Norden ab und fahren zurück auf das Hochplateau. Die Steigungen in Guatemala sind extrem! Es ist so steil, dass es fast unmöglich ist, hochzukommen, auch für die Autos. Glücklicherweise werden wir heute Abend in dem kleinen Dorf Chicua gut aufgenommen. Die Leiter der evangelischen Kirche erlauben uns, im Gras unter einem Unterstand neben der Kirche zu zelten. Wir haben eine Toilette und sauberes Wasser – für uns ein großer Luxus. Die Gemeindemitglieder haben trotzdem Mitleid mit uns und wollen uns fast nicht in der Kälte unseres Zeltes zurücklassen. Wir haben uns schon gut eingelebt und wollen nicht mehr in die Kirche umziehen und schaffen es, sie davon zu überzeugen, dass es uns hier sehr gut geht.
Am Morgen besuchen wir den berühmten Markt von Chichicastenango, den größten Markt des Landes. Hier gibt es alles: Lebensmittel, schöne Textilwaren, Elektronik, Schuhe und vieles mehr. Alles ist bunt und erinnert uns an die Märkte in den Anden Südamerikas, aber die Tortilla-Stände an jeder Ecke sind neu. Vor der St.-Thomas-Kirche beten und mehrere Menschen legen Opfergaben auf die Stiege oder zünden Weihrauch an. Wir würden gerne noch ein wenig länger verweilen, aber mit den Fahrrädern in der Menge ist das kompliziert, also setzen wir unsere Fahrt fort. Wir verlassen die Touristenwege und finden uns auf dem Land und in Dörfern wieder, die von Nachfahren der Maya bewohnt werden. An diesem Sonntag ist überall Markttag. Wir kommen an kleineren und weniger touristischen Märkten vorbei, die aber alle genauso bunt und vielfältig sind. Von Ochsen oder Pferden gezogene Karren sind wieder Teil der Fahrzeuge auf der Straße. Wir durchqueren einige Täler und erreichen schließlich Cobán, wo wir die Fahrräder für einen Tag abstellen, bevor wir den Norden Guatemalas erkunden.
Um alle Fotos anzusehen, bitte hier klicken:
Das Maya-Hochland