Ankunft in Bolivien, Chile/Bolivien

Km 8689

In San Pedro de Atacama kamen wir im Norden Chiles an und mussten uns überlegen, wie wir unsere Reise fortsetzen. Letztes Jahr hätten wir nicht mehr als 2 Minuten mit unseren Überlegungen an den Grenzübertritt gebraucht. Wir hätten einfach die Route genommen, die uns am besten gefallen hätte. Im aktuellen Kontext der Pandemie war es ein bisschen komplizierter als das.

Wir hatten Glück, dass Bolivien derzeit Ausländern die Einreise mit einem 72h PCR-Test und einer 10-tägigen Quarantäne erlaubt, was unser grundsätzlicher Plan war (nach San Pedro de Atacama nach Bolivien einzureisen). Das Problem war, dass Chile die Grenzen seit Anfang April komplett geschlossen hat. Es gibt eine Ausnahme, die besagt, dass man das Land verlassen kann, wenn man nicht zurückkommt, aber das entsprechende Formular der chilenischen Behörden kann nur von Chilenen oder Ausländern mit einem ständigen Wohnsitz in Chile ausgefüllt werden. Während unseres Aufenthalts in San Pedro de Atacama schrieben wir mehr als zehn E-Mails und telefonierten viel, um mehr Informationen zu unserem speziellen Fall zu bekommen. Aber die Auskünfte, die wir bekamen, waren sehr widersprüchlich: „Die Grenzen sind total geschlossen, Sie können das Land im Moment nicht verlassen.“, „Es ist niemand an der Landgrenze, Sie können nur mit dem Flugzeug über den Flughafen von Santiago ausreisen.“, „Sie können einfach zur Grenze gehen, es wird sowieso immer jemand da sein und in Ihrem Fall sollte es in Ordnung sein.“ Es ist wohl klar, dass wir nicht mehr wussten, welcher Version wir glauben sollten, also entschieden wir uns, es einfach zu riskieren. Da wir bereits in der Gegend waren, würden wir höchstens 1-2 Tage verlieren.

Nun mussten wir uns entscheiden, welche Grenze wir nehmen würden. Die Grenzr Hito Cajón, 50km von San Pedro de Atacama entfernt, war unsere erste Wahl, denn auf der bolivianischen Seite führt die Straße über das Altiplano, vorbei an einigen sehr schönen Lagunen und Vulkanen, die bis auf 6000m reichen. Das Problem war, dass diese Grenze nur für den Tourismus ist (kein kommerzieller Verkehr, die einzigen Grenzübergänge, die derzeit in Chile erlaubt sind), also könnte sie tatsächlich vorläufig geschlossen sein. Auch auf der bolivianischen Seite gibt es auf ca. 400 km keine Stadt mit Hotel, in der wir die 10-tägige Quarantäne machen könnten. Die andere Lösung war die Grenze von Ollagüe, etwa 300 km nördlich von San Pedro de Atacama, wo wir nur 200 km nach Uyuni hätten, um die Quarantäne zu machen. Das Problem war hier, die 300 km bis zur Grenze innerhalb von 72 Stunden zu schaffen, bevor unser PCR-Test nicht mehr gültig ist. Ohne Busverkehr auf dieser Route waren wir auf Autostoppen angewiesen.

Am Sonntagmorgen hätten wir das Ergebnis unseres PCR-Tests erhalten sollen, um es online hochladen zu können, um die bolivianische Grenze zu passieren, aber wir hatten keine Mail im Posteingang. An der Ausfahrt von San Pedro de Atacama hatten wir Glück. Nach nur einer halben Stunde hielt Diego, ein junger Arbeiter von einer der nahe gelegenen Straßenbaustellen, an, um uns ins 100 km entfernte Calama zu bringen. Wir kannten diese Straße bereits, über diese sind wir her gekommen, also konnten wir uns auf den netten Plausch mit Diego konzentrieren. Als wir in Calama ankamen, aßen wir unsere Sandwiches und überprüften erneut die Ergebnisse des PCR-Tests (immer noch nichts). Wir gingen sogar in die Klinik, wo sie die Tests durchführten, aber die einzige Antwort, die wir bekamen, war, dass wir warten sollten, bis wir angerufen werden. Am frühen Nachmittag mussten wir weiterfahren, sonst würden wir die Grenze nie erreichen. Wir positionierten uns an der Ausfahrt von Calama, aber kein Fahrzeug hielt an. Wir beschlossen, die 30 km bis zum nächsten Dorf mit dem Fahrrad zu fahren. Mit dem Wind im Rücken waren wir schnell am Ziel. In dem Dorf (das letzte Größere vor der Grenze) wollten wir erneut unsere E-Mails checken, aber da wir mit unserer SIM-Karte kein Netz hatten, fragten wir die Verkäuferin eines kleinen Ladens, ob sie ihre Internetverbindung mit uns teilen könnte (zum Glück können wir immer auf die Hilfsbereitschaft der Chilenen zählen). Endlich konnten wir das Formular für die Einreise in Bolivien ausfüllen und den PCR-Test darauf laden. Um 16 Uhr verließen wir das Dorf, aber es war weit und breit kein Fahrzeug in Sicht, das uns zur Grenze bringen könnte. Also blieb uns nur ein Weg: mit dem Fahrrad weiterzufahren. Bei jedem Fahrzeug, das uns überholte, hielten wir an, um zu trampen, aber entweder war das Auto zu klein oder es war schon voll. Eines von ihnen hielt trotzdem an, um uns eine Flasche Wasser anzubieten und zu fragen, wohin wir fahren würden. Schließlich rieten sie uns, zur Estación San Pedro zu radeln, wo die Polizei uns sicher für die Nacht beherbergen könnte. Wir kamen dort bei Einbruch der Dunkelheit an, aber es gab keine Polizeidienststelle in dem Dorf (nur etwa 10 Häuser).

Wir fragten einen Einheimischen, wo wir schlafen könnten, und er riet uns, das Zelt hinter die Wände des Spielplatzes zu stellen, um uns vor dem Wind zu schützen. Auf dem Weg dorthin sah Matthieu eine leere Veranda eines Restaurants und wir beschlossen zu fragen, ob wir dort mit unseren Matratzen und Schlafsäcken schlafen könnten. Das Mädchen stimmte sofort zu und zum Dank bestellten wir ein Essen im Restaurant. Da nicht mehr viel los war,  wurden uns Spaghetti mit Eiern versprochen, aber am Ende bekamen wir ein großes Stück Fleisch mit Spaghetti, Pommes, Brot und uns wurde sogar ein Tee zum Essen serviert. Während wir aßen, kam der Besitzer, um Hallo zu sagen und was für eine Überraschung, es war derselbe Mann, der uns sagte, wir sollten im Zelt auf dem Spielplatz schlafen. Wir waren uns nicht sicher, ob es ihm Recht war, dass seine Tochter uns einlud, auf der Veranda des Restaurants zu schlafen, während er uns aufforderte, das Zelt woanders aufzustellen, aber nach ein paar Minuten im Gespräch stellte sich heraus, dass er sehr nett war. Und am Ende des Essens brachte er uns sogar eine große Matratze, damit wir nicht auf unseren kleinen Luftmatratzen schlafen mussten. Wir schliefen ein wie Babys!

Schade, dass der Wecker um 3 Uhr morgens läutete, aber wir glaubten nicht mehr an die Idee mit dem Autostoppen und wir hatten noch 120km bis zur Grenze und unser PCR-Test war nur bis 12:30 Uhr gültig. Draußen war es kalt, zum Glück haben wir alle unsere warmen Sachen angezogen. Wir legten langsam aber sicher die Höhrnmeter zurück, aber in der Nacht hatten wir keinerlei Orientierung. Nach 15 km erreichten wir ein kurzes flaches Stück bevor der richtige Anstieg zum Altiplano begann. Gleichzeitig kam ein kalter Wind auf und wir verloren ein paar Grad Celsius. Auf dem Weg nach oben war es noch ok, der Anstieg wärmte uns auf. Aber sobald wir das Plateau erreicht hatten, waren wir wie eingefroren. In der Tat konnten wir nicht einmal mehr trinken, da unsere Wasserflaschen eingefroren waren. Aber wir hatten noch eineinhalb Stunden bis zum Sonnenaufgang, es war ein mentaler Kampf. Der Horizont lichtete sich und wir begannen, die schönen Landschaften um uns herum zu sehen. Dann, kurz bevor die Sonne über den Bergen auftauchte, kamen wir an einer Polizeistation zu einer Passkontrolle an. Wir fragten, ob wir uns ein wenig aufwärmen und drinnen frühstücken könnten. Der Polizist war super nett, er stellte die elektrische Heizung 20cm von unseren Füßen entfernt auf und bot uns Tee und Kaffee zum Frühstück an. Wir blieben 45 Minuten, viel länger als unser Zeitplan erlaubte, aber wir brauchten diese Pause zu sehr.
Nach einer kurzen Abfahrt erreichten wir einen Salar (Salzwüste), an dem wir die nächsten 30 km entlangfuhren. Die Straße war flach und gut, die Landschaften waren wunderschön und die Sonne wärmte uns etwas auf, endlich ging es uns besser. Kurz bevor wir den Salar verließen, kamen wir an einer Lagune mit vielen Flamingos vorbei. Es hat sich also doch gelohnt, diese Strecke zu wählen!

Wir hatten einen kleinen Aufstieg/Abstieg, bevor wir zu einem anderen Salar kamen, in dessen Mitte ein alter Güterzug durchfuhr. Wir hatten noch einen letzten kleinen Anstieg, dann sahen wir endlich Ollagüe, das Dorf an der Grenze. Wir hielten am Geschäft im Ort an, um unsere letzten chilenischen Pesos auszugeben, dann machten wir uns auf den Weg zum Zoll. Nach einer Warnung, dass wir nicht nach Chile zurückkehren könnten, wenn die Bolivianer uns nicht einreisen ließen, erhielten wir den Stempel, um das chilenische Gebiet verlassen zu dürfen. Wir sind die 4km zwischen Chile und Bolivien gefahren und haben dann nach einem bolivianischen Zöllner gesucht (alles war leer). Ein alter Mann in Uniform kam aus einer Hütte und fragte uns nach unseren Dokumenten. Erstes Problem: Es war bereits 13 Uhr, unser PCR-Test war offiziell nicht mehr gültig. Zweites Problem: wir brauchten eine Papierkopie aller unserer Dokumente (was nirgends angegeben war). Wir fingen an zu diskutieren und zu erklären, dass das per Fahrrad alles ein bisschen kompliziert ist. Er brachte uns zu einem anderen Zollbeamten, der uns die Probleme noch einmal erklärte, dann riefen sie ihren Chef an und fragten, was sie mit uns machen sollten. Am Ende waren sie mit dem PCR-Test einverstanden, aber sie bestanden darauf, die Dokumente auszudrucken. Aus Mangel anderer Möglichkeiten erklärten sie sich bereit, sie für uns zu drucken, wobei sie darauf hinwiesen, dass dies kostenpflichtig sein würde (na klar). Wir hatten nicht wirklich eine Wahl, also fügten wir uns ihren Bedingungen, solange sie uns die Einreise nach Bolivien erlaubten. Sie haben das Handy an den Computer angeschlossen, aber sie konnten die Dokumente nicht ausdrucken. Sie tuschelten leise über all die Probleme und die zu zahlenden Preise, während wir im Stillen beteten, dass sie uns endlich durchlassen würden. Fünfundvierzig Minuten später kam endlich das erste Dokument aus dem Drucker. Nach weiteren 15 Minuten waren sie endlich fertig und stempelten unsere Pässe. Wir waren erlöst und konnten nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft hatten!

Kurz hinter der Grenze gab es ein kleines Bistro, in dem wir zur Belohnung für unsere Anstrengungen unser erstes bolivianisches Gericht bestellten. Danach mussten wir nur noch nach Uyuni kommen, um die Quarantäne zu machen. Es war nicht viel Verkehr, deshalb hatten wir noch mal Pech mit dem Trampen. Am Ende brauchten wir 2 Tage für die 200 km nach Uyuni (80 km mit dem Fahrrad, 30 km per Anhalter und 90 km mit dem Bus). Wir waren ziemlich erschöpft, als wir ankamen, aber wir haben ja die Quarantäne, um uns zu erholen und wir können es kaum erwarten, dieses neue Land zu entdecken!

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Ankunft in Bolivien

 

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